Zurück auf den Beinen: Wie Rahel wieder laufen gelernt hat
Wegen einer neurologischen Störung landet die 18-jährige Rahel aus dem Zürcher Oberland innert weniger Wochen im Rollstuhl. Dank einem gezielten Rehatraining mit der VAMED Sporttherapeutin Deborah Knechtle kann die junge Frau nun wieder gehen.
Text: Luk von Bergen // Bilder: Markus Lamprecht
«Irgendwann ging es gar nicht mehr, und ich hatte riesige Rückenschmerzen», erzählt Rahel.
«Ich spürte die Beine nicht mehr, konnte sie auch nicht mehr bewegen, geschweige denn stehen oder gehen.» Im Winter 2021 befindet sich Rahel auf dem traurigen Höhepunkt einer schleichenden Entwicklung. Die damals 17-jährige Gymnasiastin weiss bis heute nicht genau, woran sie erkrankt ist. «Grundsätzlich handelt es sich um eine neurologische Störung, aber über die genaue Ursache und die Diagnose sind die Ärzte uneins.» Die junge Frau landet im Rollstuhl und ist bei alltäglichen Tätigkeiten wie duschen, ein Glas Wasser holen oder auf die Toilette gehen auf Hilfe angewiesen. Nach zwei Wochen im Spital schicken sie die Ärzte in einen Reha-Aufenthalt in den Bergen. «Das war eine sehr harte Zeit. Ich war viel allein und durfte aufgrund der damaligen Covid-Situation kaum Besuch empfangen.»
Viele Schmerzmedikamente, kein Therapiefortschritt, keine Aussicht auf Besserung: Der stationäre Aufenthalt war eine Enttäuschung. «Da ich aufgrund der fehlenden Rumpfstabilität auch nicht gut sitzen konnte, bin ich hin und wieder aus dem Rollstuhl gekippt und stundenlang auf dem Boden gelegen, bis mich jemand gefunden hat.» Dass die junge Frau in dieser Situation nicht verzweifelt ist, verdankt sie ihrer optimistischen Art und ihrem Durchhaltewillen. So kann sie der ersten Reha-Erfahrung im Nachhinein gar noch etwas Positives abgewinnen. «Mit der Zeit konnte ich mich auch mit dem Rollstuhl etwas besser fortbewegen und Kontakte mit anderen Patientinnen und Patienten knüpfen», sagt sie. «Da waren viele liebe Leute, die mir Dinge wie Schach spielen oder jonglieren beigebracht haben.»
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Rückkehr nach Hause, Rehastart bei VAMED
Als sich abzeichnet, dass die stationäre Rehabilitation nicht den gewünschten Erfolg bringen wird, sieht sich Rahels Mutter nach weiteren Therapiemöglichkeiten um. Dabei ist sie auf das Revigo in Volketswil gestossen, den ehemaligen Standort des neuen VAMED Rehazentrums im Zürcher Seefeld. «Meine Mama hat den Spezialisten der VAMED die Ausgangslage geschildert und um Hilfe gebeten.» Es folgen Abklärungen bei diversen Neuro-Spezialisten, viele Telefongespräche und der Austausch von Videos der damaligen Therapie, da Rahel zu diesem Zeitpunkt noch in stationärer Behandlung ist. Nach drei Monaten endet ihre Odyssee in den Bergen. Sie kehrt zu ihrer Familie zurück – immer noch im Rollstuhl. Und sie beginnt die Reha in Volketswil, wo sie unter anderem auf die Sporttherapeutin Deborah Knechtle trifft.
Interdisziplinäre Analyse, individuelle Therapie
«Wenn man einen genauen Befund hat, kann man gezielter trainieren», sagt Deborah Knechtle. «Bei Rahel aber war das Krankheitsbild auch nach weiteren medizinischen Abklärungen nicht klar.» Die Sporttherapeutin mit Master in Neurowissenschaften macht sich aufgrund der Fakten und der fehlenden Funktionen ein Gesamtbild und legt nach Absprache mit den Ärzten und der Physiotherapie den ambulanten Therapierahmen fest. «Bei VAMED geht es stets darum, eine ganzheitliche Analyse zu treffen und andere Fachbereiche miteinzubeziehen – diese Rundumbetreuung ist sehr wichtig für den Reha-Erfolg.» Die Zusammenarbeit mit Rahel verläuft denn auch von Anfang an sehr gut. «In der Therapie habe ich rasch gemerkt, dass sie eine aussergewöhnliche Patientin ist», sagt Deborah Knechtle. «Sie war von Anfang an motiviert und hat sich selten beklagt, auch wenn es körperlich anstrengend war.» Die beiden Frauen verstehen sich bestens – ein weiterer Pluspunkt auf Rahels Reha-Reise.
Kleine Schritte, grosser Fortschritt
Im März 2022 beginnt Rahel die ambulante Reha in Volketswil. Zu Spitzenzeiten trainiert sie fast täglich im Revigo, daneben geht sie in die Physiotherapie. Rahel hat dabei ein klares Ziel vor Augen: Sie will wieder zur Schule gehen können. Denn die Kanti in Zürich, die sie besucht, hat viele Treppen und ist überhaupt nicht auf Rollstühle ausgelegt. Dank dem Lokomat lernt Rahel ihren Körper wieder besser spüren. Das Gerät ist eine Art robotikunterstützte Gehhilfe, mit der selbst Patienten trainieren, die wenig oder gar keine Kontrolle über die unteren Gliedmassen haben. «Am Anfang hat sich das eigenartig angefühlt, aber mit der Zeit konnte ich immer weitere Strecken zurücklegen.» Zuerst benötigt Rahel viel, später immer weniger maschinelle Unterstützung. «Es hat mir geholfen, mich beim Training im Spiegel zu beobachten. So habe ich realisiert, wie ich mich bewegen muss, und damit die Verbindung zwischen Hirn und Beinen wiederhergestellt.»
Die Therapie zeigt Wirkung.
Nach einigen Monaten wechselt Rahel auf die C-Mill, ein Laufband, das mit Gewichtsentlastung und interaktiven Spielen der Gangtherapie dient. Mit diesem System bereitet sie sich auf die alltägliche Umgebung und die sich ändernden Umstände vor. Ähnlich wie beim Lokomat hält auch die C-Mill sämtliche Trainingsdaten digital fest. So sind auch kleine Fortschritte ersichtlich, was sich auf die Motivation der Patientin auswirkt. Ab Sommer 2022 ist Rahel schmerzfrei unterwegs. Sie bewegt sich selbstständig mehrere hundert Meter weit, steigt wieder Treppen hoch und besucht ab September wieder das Gymi – anfangs mit zwei Krücken, jetzt nur noch mit dem Gehstock. «Die Therapie im VAMED Rehazentrum und in Volketswil hat mich wieder auf die Beine gebracht», sagt Rahel. «Ich bin nun wieder viel selbstständiger, was nicht nur mich, sondern auch mein Umfeld entlastet.» Inzwischen liegen gar kurze Spaziergänge mit ihrem Hund drin. Den Weg von der Kanti ins Rehazentrum im Seefeld bewältigt sie allein mit dem Bus und zu Fuss.
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Funktionen trainieren, Muskeln aufbauen
Rahels Intensivtherapiephase ist nun abgeschlossen. Seit Anfang Jahr kommt sie zur Medizinischen Trainingstherapie (MTT) ins neue VAMED Rehazentrum im Zürcher Seefeld. Im Gegensatz zum ehemaligen Revigo-Standort in Volketswil sind in Zürich nebst Lokomat und C-Mill zahlreiche weitere Trainingsmöglichkeiten vorhanden. «Rahel hat während der letzten rund acht Monate ihre Gehfunktion wiedererlangt», sagt Deborah Knechtle. «Nun fokussieren wir uns auf verschiedene Sachen wie den Muskelaufbau, die Rumpfstabilität, das Gleichgewicht und die Tiefensensibilität.» Die Sporttherapeutin setzt auch in dieser Therapiephase auf ein abwechslungsreiches sowie individuelles Training bestehend aus herkömmlichen Geräten und neusten Technologien. «Roboter- und sensorbasierte Trainingssysteme sind eine spannende Ergänzung. Diese Systeme liefern aufschlussreiche Daten, die für den Rehaverlauf sehr wichtig sind.» Und sie unterhalten, Stichwort «Gamification». Wer während des Trainings durch eine Mondlandschaft stapft oder mit den Beinen Bowlingkugeln steuert, ist oft motivierter und ausdauernder bei der Sache.
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Neue Freiheit, viele Ziele
Vorerst ist Rahel nicht nur im Fitnessraum gefordert. Im Frühling stehen an der Kanti Zwischenprüfungen, im Sommer die Abschlussprüfungen an. Die Maturaarbeit schreibt sie zum Thema Robotik. Deborah Knechtle, die Gesundheitswissenschaft und Technologie studiert hat, unterstützt sie dabei mit wertvollen Infos und Inputs. Und danach? «Ein Medizinstudium würde mich interessieren», sagt Rahel. «Ich habe in den letzten Monaten viele Ärzte und Patienten kennengelernt – das hat meine Faszination für medizinische Zusammenhänge und Naturwissenschaften noch verstärkt.» Weiter möchte die junge Frau irgendwann zusammen mit ihrer Schwester nach Hawaii reisen. Aber zuoberst auf ihrer Liste steht ein Wunsch, der simpel klingt, aber gerade wegen der letzten Monate an Bedeutung gewonnen hat: «Ich möchte meine Freiheit geniessen und einfach nur leben.»
Robotik-Angebot am VAMED Standort Zürich
Das VAMED Rehazentrum Zürich Seefeld setzt ergänzend zu herkömmlichen Therapien auf roboter- und sensorbasierte Trainingssysteme. Diese Systeme erfassen Training und Fortschritt digital und ermöglichen so exakte Analysen und damit eine noch zielführendere Rehabilitation. |