Mit robotergestütztem Training und viel Optimismus der MS trotzen

Ein elektrifiziertes Dreirad, ein strahlendes Lachen – beides gehört Patrick «Sigi» Nötzli, der damit zweimal wöchentlich ins VAMED Rehazentrum Zürich Seefeld rollt. Er ist MS-Patient und trainiert mit der Unterstützung von Robotik. Eine eindrückliche Patientengeschichte, die geprägt ist von Motivation und Lebensfreude.

Text: Nicole Urweider // Bilder: Markus Lamprecht

Es gab eine Zeit, da rockte Patrick, der sich selbst Sigi nennt, als Bassist die Bühnen.
2005, im Alter von 26 Jahren, konfrontierten ihn zum ersten Mal die Symptome der Multiplen Sklerose, kurz MS, damals noch völlig im Unwissen, woher diese kamen. Auch damals spielte er ein Konzert. «Danach tranken wir noch was. Auf dem Rückweg zwickten mir plötzlich die Beine, sie waren total schwach und boykottierten mein Gleichgewicht, sodass mich mein Kumpel sogar beim Pinkeln stützen musste», erinnert sich Sigi. «Da wurde ich natürlich erst belächelt mit ‹Du verträgst ja auch nichts mehr!›.» Den Grund für solche wiederkehrenden Vorfälle erfuhr er erst Jahre später. Als er als Servicetechniker 2011 nicht mehr gleichzeitig den Werkzeug- und den Laptop-Koffer die Treppe herunterzutragen vermochte, ging er erst zum Hausarzt, von dort ins MRI und danach zur Neurologie. Ein Untersuch des Nervenwassers sprach Klartext: Diagnose MS.

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Mit Lebensfreude gegen die Krankheit
Wie geht man mit so einer Diagnose um? Sigis erste Reaktion war: «Die Krankheit muss erst mal mit mir zurechtkommen und nicht ich mit der Krankheit.» Erst nachdem er einiges über MS gelesen hatte, kam doch ein bisschen Angst in ihm hoch. «Aber ich habe ein supergeiles Umfeld, das mich unterstützt und mich auch an Konzerte mitnimmt – da kommt man fast gar nicht in ein Tief.» Er machte eine Umschulung zum Fachmann Betreuung und arbeitete noch eineinhalb Jahre in diesem Beruf. Heute geht dies leider nicht mehr, und er bezieht eine IV-Rente. Seine grösste Beeinträchtigung ist, dass er nicht mehr richtig gehen kann. Zu Hause bewegt er sich mit dem Rollator, draussen mit seinem Elektrodreirad. Einmal wöchentlich unterstützt ihn eine Haushaltshilfe. Er spielt nach wie vor etwas Bass. «Das ist gut für die Feinmotorik und auch fürs Hirn», sagt er. 

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Redact Vamed Sigi 6252 Beim Training mit ddrobotec® braucht es nicht nur Kraft, sondern auch viel Koordination und Feingefühl.

Robotergestütztes Training mit ddrobotec®
Seit 2019 trainiert Sigi mit der Beinpresse von ddrobotec®, erst beim Hersteller selbst, dann im VAMED Rehazentrum im Zürcher Seefeld. Und er ist begeistert davon. So begeistert, dass er mehr als glücklich war, als er das Gerät auch bei einem stationären Aufenthalt in der Rehaklinik Zihlschlacht vorfand. Zu Recht, wie der Erfolg bestätigte. «Beim Eintritt konnte ich nur 170 Meter mit dem Rollator gehen, beim Austritt 240», blickt Sigi zurück. «Beim Gehweg mit dem Stock habe ich mich sogar verdoppelt von 35 auf 70 Meter.» Doch was macht denn dieses von Sigi betitelte «Wundergerät» so besonders? Das erfahren wir am besten, indem wir ihn bei einer Trainingseinheit begleiten: Das System von ddrobotec® ist vereinfacht formuliert eine digitale Beinpresse. Während Sigi sich auf dem Sitz positioniert, die Füsse auf grosse Pedale legt, sich mit seinem Handy einloggt und mit einem Joystick das Programm startet, erklärt er: «Meist wärme ich mich mit einem Spiel auf, bevor ich mein individuelles Programm starte.» 

Redact Vamed Sigi 6222 Zum Aufwärmen startet Sigi immer mit einem Spiel, wie hier mit einer Skiabfahrt.

Das heutige Spiel ist eine Skiabfahrt, die vor ihm auf dem Bildschirm erscheint. Mit den Pedalen beziehungsweise seinen Beinbewegungen steuert er die Geschwindigkeit, «fährt» Kurven und trifft Schneemänner. Das Feeling, das ihm von der Maschine entgegenkommt, ist dem Skifahren stark nachempfunden. «Das ist einer der grossen Vorteile von ddrobotec® gegenüber herkömmlichen Beinpressen», erklärt sein Physiotherapeut Aaron Kubel. «Da das Gerät mit Luftdruck statt Gewichten arbeitet, kann es den Widerstand auf einen Schlag ändern. Das ist gut für die Koordination, Reaktionsfähigkeit und Kniestabilität.» Therapeuten und die Hersteller von ddrobotec® sind im stetigen Austausch. «Das Feedback von uns Therapeuten und den Patientinnen und Patienten ist enorm wichtig, um solche robotergestützten Trainingssysteme stetig zu verbessern», erklärt Aaron.

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Redact Vamed Sigi 6235 Mit der Beinpresse von ddrobotec® lassen sich die Beine unterschiedlich belasten.

Nach der Skiabfahrt geht’s weiter mit Sigis individuellem Programm. Auch hier ist nicht nur Kraft, sondern viel Koordination gefragt. So muss er zum Beispiel anhand seines Kniewinkels auf dem Bildschirm einen Punkt entlang von Kurven steuern. Oder eine gerade Linie halten, während ihm verschiedenste Kräfte entgegenwirken, rechts und links unterschiedlich stark. «Das ist ein weiterer Vorteil dieses robotergestützten Trainingssystems», erklärt Therapeut Aaron, denn bei MS sind oft die Körperseiten unterschiedlich betroffen. ddrobotec® kombiniert körperliches, koordinatives und kognitives Training. Und alles wird ausgewertet. «Das ist für uns Therapeuten super, um das Training für die Patientinnen und Patienten zu optimieren», erklärt Aaron. «Und für die betroffenen Personen ist es motivierend, was wichtig ist bei einer langen, fortschreitenden Erkrankung wie MS.» 

Redact Vamed Sigi 6207 Bearbeitet Das in der Software integrierte Ranking ist ein zusätzlicher Motivationsfaktor.

Ein weiterer Motivator ist das interne Ranking, das jeweils auf dem Bildschirm ersichtlich ist und von Sigi angeführt wird. Da es darum geht, wie exakt die Übungen ausgeführt werden und nicht mit wie viel Kraft, kann sich jeder mit jedem vergleichen. «Ich habe schon einen aktiven Eishockeyspieler übertrumpft, das motiviert natürlich umso mehr», sagt Sigi grinsend. «Es hat mich noch nie angegurkt, hierher zum Training zu kommen.» Und dass das Training hilft, zeigen Sigis Auswertungen. «Die Therapeuten sehen dies auch an meinem Smile», ist sich Sigi sicher. 

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«Die Krankheit muss erst mal mit mir zurechtkommen und nicht ich mit der Krankheit.»

Patrick «Sigi» Nötzli

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Harte Töne gegen Multiple Sklerose
Seine grosse Leidenschaft, die Musik, hat ihn dazu bewogen, bereits zwei Benefizkonzerte zu organisieren. 2016 und 2023 rockten zahlreiche Rock-, Punk- und Metalbands an «Sigi’s 2. Fuck Multiple Sklerose Event», zogen Hunderte Besucher an und erspielten zusammen einen Erlös von 38 000 Franken. Die Einnahmen gingen alle an die MS-Gesellschaft und sollen für die Forschung eingesetzt werden. «Man muss herausfinden, woher dieses Zeugs kommt, und wenn ich dazu mit Musik etwas beitragen kann, umso besser», findet Sigi. Ein Einsatz, den es zu würdigen gilt, fand auch die Jury, die den MS-Preis vergibt. Mit diesem wurde Sigi Anfang Juni von der MS-Gesellschaft ausgezeichnet. Absolut verdient, finden auch wir und wünschen Sigi weiterhin alles Gute und viel Freude und Erfolg beim Training! 

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