Leben mit Parkinson und Demenz: Kognitive Aspekte der Parkinsonerkrankungen und ihre Herausforderungen

In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die kognitiven Aspekte der Parkinsonerkrankung, erörtern den Zusammenhang zwischen Parkinson und Demenz und geben Einblick in den Alltag der Betroffenen sowie deren Familien.

Das Leben mit Parkinson oder einer Demenz stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor grosse Herausforderungen. Beide Hirnerkrankungen betreffen überwiegend ältere Menschen und können über den Verlust der motorischen oder kognitiven Fähigkeiten in die Pflegebedürftigkeit führen. 

Elstner.Matthias PD Dr. med. Matthias Elstner, Chefarzt und Medizinischer Direktor der Rehaklinik Tschugg

Was ist Parkinson und was ist Demenz?

Die Parkinson-Erkrankung zählt zu den Bewegungsstörungen. Die meisten kennen die drei Hauptsymptome: Das Zittern (Tremor), die Steifigkeit (Rigor) und die Bewegungsverlangsamung (Hypokinese). Die Demenz ist der Überbegriff für Erkrankungen, die das Gedächtnis, das Denken und das Verhalten beeinträchtigen. Infolge einer Demenz können alltägliche Aufgaben aus kognitiven Gründen nicht mehr selbstständig bewältigt werden. Weniger bekannt ist, dass viele Parkinson-Patienten auch eine Demenz entwickeln.

Warum ist die Parkinsonerkrankung häufig eng mit einer Demenz verknüpft?

Die häufigste Demenzform ist die Alzheimer-Erkrankung. Diese zählt - genau wie die Parkinson-Erkrankung - zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Das bedeutet, dass Nervenzellen im Gehirn deutlich früher und schneller verloren gehen als normal im Alter. Bei der Erforschung des Grunds hierfür haben Wissenschaftler Ähnlichkeiten gefunden. Zu einer der auffälligsten Veränderungen bei Parkinson und Alzheimer zählt die Anhäufung von «verklumptem» Eiweiss (Protein) im Inneren der Nervenzellen. Bei Parkinson heisst das Protein «Synuclein», bei Alzheimer ist es das «TAU-Protein». Obwohl es sich um zwei eigenständige Erkrankungen handelt, findet man bei der Untersuchung von Parkinson-Patientinnen oft auch Anhäufungen vom «TAU-Protein» und bei Alzheimer-Patienten neben verklumptem «TAU-Protein» auch angehäuftes «Synuclein». Somit gibt es «Mischformen» was wahrscheinlich erklärt, warum manche Alzheimer-Patienten auch Parkinsonsymptome zeigen und viele Parkinson-Patienten eine Demenz entwickeln.

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Dabei finden sich leichte kognitive Einschränkungen bereits zum Zeitpunkt der Diagnose bei 19-36 % der Parkinsonpatienten [2]. Man spricht hier von einer “leichten kognitiven Beeinträchtigung”. Der geistige Abbau wird zu diesem Zeitpunkt von vielen Patientinnen oft noch gar nicht wahrgenommen. Kleinere “Ausrutscher” werden gerne einmal aufs Alter geschoben oder überspielt. Der normale Alltag ist ja meist sehr gut eingespielt und selbst den Angehörigen mag zu Beginn nicht viel auffallen. Erst in ungewohnten, sehr fordernden Situationen machen sich leichte kognitive Defizite bemerkbar. Zum Teil kommen die kognitiven Defizite erst bei einem formellen Test im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung zum Vorschein.

Neben verbesserten Therapien wächst auch das Wissen zum Spektrum möglicher Symptome und deren Verlauf bei der Parkinsonerkrankung. Parkinsonpatientinnen und -patienten werden immer älter und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen unterdessen, dass bis zu 80 % der Parkinsonpatienten eine Demenz entwickeln [1]. So sind es im Verlauf oft nicht die motorischen Störungen, sondern eine begleitende Demenz, welche eine Versorgung der Parkinsonpatienten durch die Angehörigen im häuslichen Umfeld unmöglich macht. 

Was sind typische Symptome einer Demenz? 

Ein Beispiel für ein typisches Symptom einer Demenz ist die abnehmende Aufmerksamkeit. Ein Text kann dann nicht mehr an einem Stück gelesen und verarbeitet werden, oder es fällt schwer einem Gespräch zu folgen. Ein weiteres klassisches Symptom einer Demenz ist die Gedächtnisstörung, d.h. eine Abnahme der Merk- und Erinnerungsfähigkeit. Was dann zu den typischen Situationen unter Ehepaaren führen kann: «Das habe ich dir doch gestern schon gesagt».

Shutterstock 1823067926 Für eine betroffene Person wird das Autofahren schwieriger.

Auch die optisch-räumliche Wahrnehmung ist eine kognitive Funktion, wie z.B. beim Abschätzen von Entfernungen, was vor allem bei Autofahren ein Problem darstellt. Vielleicht wird anfangs zunächst einmal ein stehendes Auto gestreift, im Verlauf wird im schlechtesten Falle auch zu spät gebremst. Wenn die räumliche Wahrnehmung und das räumliche Gedächtnis gestört sind, führt dies auch zu Orientierungsstörungen, d.h. eine betroffene Person findet sich zunächst in ungewohnten Umgebungen nicht mehr zurecht und verläuft sich. Im Verlauf wird dies jedoch auch im gewohnten Umfeld zum Problem, wie beispielsweise auf dem Weg zum örtlichen Supermarkt.

Die Art und Ausprägung der kognitiven Störungen variiert dabei stark und ist natürlich abhängig vom Stadium der Erkrankung. Typisch für die Parkinsonerkrankung sind Störungen der exekutiven Funktionen, das heisst der überwachenden Kontrollfunktion des Gehirns. Diese Hirnfunktion ist die Grundlage jeglichen Handelns und Planens, der Problemlösung, aber auch der Selbstkontrolle und des Sozialverhaltens. Da diese Gehirnfunktionen bei Kindern noch in Entwicklung sind, lässt man Kinder auch nur kurz unbeaufsichtigt. Wenn die exekutiven Funktionen des Gehirns verloren gehen, braucht auch ein Erwachsener mit Demenz wieder zunehmend Unterstützung im Alltag.

Wie können Therapien bei Parkinson und Demenz helfen?

Eine Heilung gibt es bisher für keine der beiden Erkrankungen, wobei die neuesten Versuche darauf abzielen, die erwähnten Proteinklumpen wieder zu entfernen – oder besser gar nicht entstehen zu lassen. Gerade für die Parkinson-Krankheit brachte die Forschung der letzten Jahrzehnte aber zahlreiche symptomatische Therapieoptionen hervor, mit erstaunlicher Wirkung auf die Symptomkontrolle. Nicht umsonst werden die ersten Jahre nach Therapiebeginn einer Parkinsonerkrankung auch als therapeutischer „Honeymoon“ bezeichnet. 

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Seit der Einführung von L-Dopa 1967, welches als Wirkstoff für Präparate bei Parkinson-Erkrankung helfen kann, wurden zahlreiche weitere Therapieansätze entwickelt, wie z.B. eine Hirnoperation, mit der sich das Zittern geradezu „ausschalten“ lässt. Durch die „geschickte“ Kombination der verschiedenen Wirkstoffe und Therapien, lässt sich beim „klassischen“ Morbus Parkinson unterdessen über viele Jahre und Jahrzehnte eine hervorragende Kontrolle der Symptome erreichen.

Auch für die Demenz gibt es eine medikamentöse Therapie; Medikamente, die dann auch bei der Parkinson-Erkrankung eingesetzt werden, wenn eine Parkinson-Demenz diagnostiziert wird. In allen Fällen gilt, dass umso mehr Einfluss genommen werden kann, je früher eine Diagnose und Behandlung erfolgt. Wie bei jeder Erkrankung gilt, dass es nicht ratsam ist, die Dinge zu «verschleppen». 

1 3 Die Rehaklinik Tschugg eignet sich sehr für Parkinson-Patienten.

Die Diagnose einer Demenz im Rahmen von Parkinson erfolgt durch eine gründliche neurologische Untersuchung sowie durch kognitive Tests. Ärzte und Ärztinnen können auch bildgebende Verfahren einsetzen, um andere Ursachen für die Symptome auszuschliessen. Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend für die Planung der weiteren Behandlung und Pflege. Das Leben mit Parkinson und Demenz wirkt sich nicht nur auf die Betroffenen selbst aus, sondern auch auf ihre Familien und Pflegepersonen. Die emotionale Belastung kann erheblich sein und Pflegepersonen müssen oft zusätzliche Verantwortungen übernehmen. Die Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und professionelle Pflege kann dabei eine wertvolle Hilfe sein.

Insgesamt erfordert das Leben mit Parkinson und Demenz Geduld, Verständnis und eine gute Unterstützung sowohl durch das soziale Umfeld als auch durch medizinische Fachkräfte. Es ist wichtig, sich gut zu informieren und Ressourcen zu nutzen, um die Lebensqualität für alle Beteiligten zu verbessern.

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Wenn Sie mehr über die Auswirkungen von Demenz und Parkinson auf das tägliche Leben erfahren möchten, finden Sie mehr auf der Unterseite «Spezialbereich Parkinson». Wir laden Sie ausserdem herzlich zu unserer 30. Parkinsoninformationstagung ein. Diese findet am 13. September 2024 in der Rehaklinik Tschugg statt und widmet sich dem Thema «Kognitive Aspekte der Parkinsonerkrankung». Die Parkinsoninformationstagung findet einmal pro Jahr in der Rehaklinik Tschugg und einmal pro Jahr in der Rehaklinik Zihlschlacht statt. Nutzen Sie die Gelegenheit, um sich mit Experten auszutauschen, wertvolle Informationen zu erhalten und neue Perspektiven auf den Umgang mit diesen Herausforderungen zu gewinnen. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Die Teilnahme ist kostenlos. Wir bitten jedoch um vorgängige Anmeldung an:

Rehaklinik Tschugg
3233 Tschugg
Sekretariat Chefärzte
Tel.: +41 32 338 41 20
E-Mail: sekretariatchefaerzte@rehaklinik-tschugg.ch

 

Referenzen

(1) Geurtsen GJ, Hoogland J, Goldman JG et al. Parkinson’s disease mild cognitive impairment: Application and validation of the criteria. J Parkinson’s Dis 2014; 4: 131–137

(2) Goldman JG, Williams-Gray C, Barker RA et al. The spectrum of cognitive impairment in Lewy body disease. Mov Disord 2014; 29: 608–621